Die Sagen der Trinkhalle Baden-Baden – reloaded

Die Thermalbäder und die Trinkhalle gelten lange schon als heilsame Orte, an denen die Besucher Baden-Badens das viel gepriesene Thermalwasser der Friedrichsquelle genießen können. Mit dem Eintauchen in das guttuende Nass gehen Erfüllung und Erleichterung einher – eine willkommene Auszeit, auch heute noch, für müde, kranke oder gestresste Geister.

Nicht weniger reichhaltig als das gesundheitsfördernde Wasser ist die mythologische Aura, von der die Quelle sich umgeben findet. Etliche Sagen und Legenden bekunden die Imposanz/Bedeutsamkeit des Ortes und feiern seine historische Tradition. Es verwundert nicht, dass Wasser und Rettung/Abenteuer in den überlieferten Geschichten zentrale Themen darstellen, liest man doch von Nymphen und Nixen, die sich an den Ufern des Wildsees tummeln, von Heilsbotschaften und kühnen Rittern, aber auch von geheimnisvollen Waldwesen und zaubernden Felsjungfrauen. Die Legenden berichten vom Metaphysischen, oft von Tod und Grauen, von einer undarstellbaren Welt, deren Grenzen mit denen der Wirklichkeit zu verfließen scheinen. Was hat es mit der seelenausraubenden Geisterfrau auf sich? Warum versank der junge Hirte im See? Ist er etwa den Rufen der betörenden Nixe Merline zu Opfer gefallen? Seit jeher stellt das Ungreifbare ein Faszinosum für die Menschen dar.

Dieses Unheimliche und Verführerische, das tief unten in Gewässern und Seen schlummert, wird in der Ausstellung im Hotel Maison Messmer von Lennart Grau an die Oberfläche gelockt. Genauso wie die Nymphen mit ihren verführerischen Blicken und Gesängen Sie in ihren Bann ziehen wollen, fängt Lennart Grau die magische Aura dieser mythischen Kreaturen, Figuren und Gestalten auf der Leinwand ein. Diese besondere Mystik, die unserem Verständnis entgleitet, die uns durch die Finger zu rinnen scheint, die sich verschwindend und gleich wieder aufreizend zeigt, wird durch die dicken glänzenden Farbschlieren in Lennart Graus Werken Wirklichkeit. Die Bilder zeigen eine zeitgenössische Interpretation der Baden-Badener Legenden und heben die Sehnsucht des Abtauchens in eine andere Welt hervor, die voller Leidenschaft und Pomp, voller Verschmelzung und Schönheit ist. Sie laden zum Eintauchen ein, zum Verlieren in einer Fantastik, der vom pastösen Farbauftrag, von der Viskosität der Farben und dem Verfließen der Formen Leben eingehaucht wird. Betörend wirkt das Schattenspiel und streift dabei die Grenze zum Unheimlichen. Neckisch blickt die Nixe aus dem Bild, eine verführerische Blüte in der Hand haltend – wen will sie in den Wahnsinn der Lust treiben? Wessen Neugierde will sie anlocken? Was trieb den Jüngling an, dem Adler in den Abgrund nachzuspringen? Mut und edle Gesinnung, Leidenschaft und loderndes Ehrgefühl – in der Kontemplation von Lennart Graus Werken tauchen wir mit den Wesen ab, lassen uns von den Fantasien und Verlockungen hinwegschwemmen, rauschen durch die Flut der Farben, gleiten von Fontäne zu Fontäne und genießen die zerlaufenden Grenzen.

Die Manier der Künstlers lässt an der Feierlichkeit der Mythen und des Ortes nicht zweifeln: Goldene und edle Farbtöne, nahezu barock anmutende Verschnörkelungen, sprudelnde Reflexionen und der graziöse Farbauftrag, all dies erweckt die Verführungskraft der wundersamen Wesen und unterstreicht das erhabene Faszinosum Wasser. Die vielen Details umschließen das Verborgene im großen Ganzen, verweisen elegant auf die mythologische Unbegrenztheit und gestalten so ihre eigene, sagenhafte Atmosphäre in die der Künstler sie gerne vom 14. April – 30. Oktober einlädt.

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